SHANTEL & Bucovina Club Orkestar
Di., 15. Dez. 2015 19:30 @ P.P.C. , Graz
Informationen
Das Wort Diaspora kommt aus dem Griechischen und bedeutet Verstreutheit. Ein Begriff, der oft auf geopolitische Verwerfungen verweist, auf Menschen, die aus ethnischen, politischen oder religiösen Gründen ihre Heimat verlassen müssen. Dabei entfesselt das Leben in der Diaspora auch kreative Prozesse: Du musst in der Fremde ein Leben neu erfinden und gestalten. Mit dem Hochruf Viva Diaspora bekennt sich Shantel zu seinen Wurzeln und schließt dabei alle ein, die ähnliche Erfahrungen gemacht haben. Der Musiker mit deutschem Pass kommt aus einer kulturell vielschichtigen Familie: Seine Mutter hat rumänisch-jüdische Wurzeln, seine (ukrainische) Großmutter musste im 2. Weltkrieg aus der Bucovina fliehen. Sein Vater wiederum hat einen griechischen Großvater, und so verbrachte der junge Shantel seine Sommerurlaube immer in Griechenland. Der Beginn einer langanhaltenden Liebe zu Menschen und Kultur, die sich in seiner Musik niederschlägt. In der Schule bekam er immer wieder von seinen Klassenkameraden zu hören: Bei euch zuhause ist es „anders“. Was für den Teenager eine Herausforderung bei der Identitätsfindung war, entfesselte im späteren Künstler Produktivkräfte, die maßgeblich zu seinem Welterfolg beitrugen.
Über 10 Jahre jagt Shantel permanent durch die Welt, rockt mit seinem Bucovina Club Orkestar die größten Festivals, die angesagtesten Underground-Clubs genauso wie prestigeträchtige Theater und Opernhäuser. Ausgangspunkt seiner weltweiten Reisen ist Frankfurt, die internationalste und derzeit am schnellsten wachsende Stadt Deutschlands. Hier wird Internationalität schon immer am konsequentesten gelebt: sei es im Handel oder im Zusammenleben mit Einwanderern: Nach dem 2. Weltkrieg lebten über 60.000 amerikanische Gis in und um Frankfurt, heute hat die Stadt die höchste Anzahl ausländischer Mitbürger aller deutschen Städte. Im kultigen Frankfurter Bahnhofsviertel startete Shantel seine musikalisch schon damals extrem eklektische Karriere. Er spielte in der griechischen Subkultur-Rembetiko-Band Prosechòs, nahm mit ihr eine Platte auf und ging 1987 mit auf große Europatour. Gleichzeitig eröffnete er den legendären illegalen Underground-Club „Lissania Essay“, veranstaltete die ersten Frankfurter Gigs von MC Solaar, Dee-Lite, Gilles Peterson und Kruder & Dorfmeister, produzierte eigene Musik und war als Impresario und DJ für seine abenteuerlichen Mixe in ganz Europa bekannt. Nach der Party in Frankfurt ging es im R4 zur After-Party nach Paris oder Berlin… Im Schatten der Hochhaustürme des Bankendistrikts entstand im Spannungsfeld von einer größtenteils migrantischen Bevölkerung, Drogenabhängigen, Vergnügungsbetrieben, Sexworkern, Künstlern, Freaks und Nachteulen ein Kraftfeld, das schon damals manchen kreativen Geist befeuerte. Shantel war damals nicht nur Pionier, sondern auch wichtigstes Aushängeschild eines Viertels, das heute in großen Artikeln und Reportagen abgefeiert wird - sogar die New York Times hat schon den Schuss gehört und Shantels Barrio zu den weltweit „50 places to be“ ausgerufen!
Mitte der 90er ist Shantel - als facettenreicher Künstler am ehesten mit Malcom McLaren vergleichbar - schon eine feste Größe in der internationalen Clubwelt, mit seinen Platten auf Studio K7 (u.a. Great Delay, Higher Than the Funk) kommt der weltweite Durchbruch, finden Fans und Nachhall bei Howie B., Major Force West, Demon Flowers, den Stereo MCs, er spielt Shows in Brooklyn (NY) oder Mexiko-Stadt. Was im Bahnhofsviertel seinen Anfang nahm, entfaltet sich in der Diaspora zur vollen Blüte. Shantel verzaubert Clubs und Konzerthallen, befeuert die Paläste im besten aller Sinne. Seine Intuition ist Legende: Er weiß den Dancefloor zu lesen: maximal 3 Songs - und der Dancefloor brennt. Hektische Reiseaktivitäten sind die Folge. Sein Lebensmittelpunkt verschiebt sich ständig, wechselt zwischen Paris, Tel Aviv und Wien. Doch der Apologet des Freestyle, Electro, Downbeat und des sexy House tritt parallel eine Reise in sein persönlichstes Inneres an: Eine Reise in die Bucovina (im Grenzgebiet von Ukraine und Rumänien) berührte ihn tief. Hier, auf der Suche nach den Wurzeln der Familie seiner Mutter, schlägt er ein neues Kapitel seiner Schaffensgeschichte auf. Sein Projekt Bucovina Club, zunächst in Form von hedonistischen Partynächten und Compilations, mündet ganz organisch in das Bucovina Club Orkestar. Der Bucovina Club entfaltet seine weltweite Strahlkraft. Anarchy & Romance wird zu seinem Schlachtruf, er bringt ihn auf alle wichtigen Bühnen und in alle hippen Clubs (soeben erschienen auf allerfeinstem Vinyl: die extrem rare Doppel-LP „The Mojo Club Session“), er vernetzt ihn mit der Welt der Mode (Milano Fashion Week, Berlin Fashion Week, Fotoshootings mit dem weltweit renommierten Fotografen des Urban Styles Horst Friedrichs, Vogue…), er führt zur Einladung, an Filmsoundtracks mitzuarbeiten (Alles auf Zucker, viele Filme von Fatih Akin) und in die Welt der Radio- und TV-Clips (ein auf Shantels Nr. 1 Hit „Disko Partizani“ basierendes Jingle wird seit Jahren vor jedem Fußballspiel in der Türkei im Stadion gespielt). Der Nachhall ist fantastisch, nicht nur bei den Fans, auch bei den Musikerkollegen. Bei seinen Auftritten in Südosteuropa, in Rumänien, Serbien, Griechenland oder in der Türkei kommen nach der Show Musiker und Produzenten auf ihn zu und bezeugen ihren Respekt und danken für seine Arbeit, erzählen, welche wichtige Inspiration ihnen die Bucovina Club- und ganz besonders die Shantel-Soloalben für sie sind. Es entstehen Stücke in Zusammenarbeit mit diversen Musikern und Produzenten, u.a. Goran Bregovic oder der arabisch-israelischen Sängerin Zehava Ben.
Die letzte große Reise führte Shantel nach Athen. Hier entdeckt er inmitten einer alle Menschen und Werte bedrohenden Finanzkrise eine neue Generation von Musikern und Produzenten, die sich vom alten System schon längst verabschiedet und für die Vetternwirtschaft der alten „Großkünstler“ nur noch Spott und Verachtung übrig haben. Wie im Frankfurter Bucovina-Club-Sound verbinden sich analoge und digitale, traditionelle und avantgardistische Klänge. Junge Künstler wie Imam Baildi suchen den Kontakt, fragen nach Shantels Produzentenfähigkeiten, man vereinbart eine Kooperation. Aber nicht nur das subkulturelle Milieu Athens fasziniert ihn schon lange, sondern er ist auf der Suche nach Areti Ketime und ihrer mythischen, ätherischen Stimme. Areti eröffnet als junger Teenager die Olympischen Spiele von Athen, spielt und singt im TV vor Milliarden von Zuschauern. In Athen begegnen sich zwei Künstler auf Augenhöhe und vereinigen ihre Ambitionen. Mit Shantel teilt Areti eine gemeinsame Liebe zur Urmutter des Rembetiko: Der Smyrna-Sound der untergegangenen Metropolen Kleinasiens bildet eine natürliche Brücke zwischen Ost und West, Orient und Okzident. Rembetiko, dieser verfemte Blues der griechischen Underdogs und Bonvivants inspiriert Shantel schon immer. Obwohl der Rembetiko von Regierungen verboten, seine Interpreten ins Gefängnis geworfen wurden, hat er gerade auch als Sound des Protestes gegen die griechische Militärdiktatur überlebt! Im Athener Studio versammelte Shantel neben Areti Ketime 25 weitere Musiker, die alle wichtigen griechischen traditionellen Instrumente spielen. Das titelgebende Stück der „East West“-EP geht mit seinem byzantinisch-orientalischen Sound an die Wurzeln griechischer Musik und bleibt dabei immer tanzbar. Mit flirrender Leichtigkeit gelingt es Shantel, genau 100 Jahre nach dem Beginn der „Kleinasiatischen Katastrophe“ eine Brücke zwischen Griechenland, der Türkei und dem Rest Europas zu bauen. Elektronische Sounds und unterschiedliche musikalische Texturen flirten miteinander und vereinen sich zu einem leicht federnden Song, bei dem auch druckvolle Brass-Fanfaren um die Ecke lugen. Beide Künstler traten im September bei einem riesigen Open-Air-Protest-Konzert in Athen auf, produzierten ein Video, das am 13.02.2015 in einem Athener Kino seine Premiere feiern wird. Shantel‘s griechischer Großvater wäre stolz auf ihn, wenn er das noch erleben könnte!
Die EP „EastWest“ erscheint im Februar, das Album Viva Diaspora, begleitet von einem opulenten Buch, im Oktober 2015. Seit Jahren leistet sich Shantel den Luxus, alle Shows fotografisch dokumentieren zu lassen. Im Textteil erscheinen Essays zu Phänomenen weltweiter Club-, Sub- und Jugendkulturen.
Doch zunächst geht es wieder einmal auf Tour durch Festivals und Tanzhallen, und das natürlich weltweit. ViVA DiASPORA!
www.facebook.com/ShantelBucovinaClub // www.bucovina.de
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