Revolverheld
So., 12. Okt. 2014 19:00 @ P.P.C. , Graz
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An Bewegung hat es Revolverheld noch nie gemangelt. Seit die Band vor nunmehr einem Jahrzehnt zusammenfand und ihre ersten Proben in einem angesifften Proberaum unter der Hamburger S-Bahn absolvierte, war sie eigentlich „immer in Bewegung“ – und bewegt damit zugleich einen selten heterogenen Fankreis zwischen jung und alt, den sich so manche Band wünschen würde. Schon lange sind Revolverheld angekommen in der Mitte der deutschen Pop- und Rockwelt, und doch sind sie sich dabei stets treu geblieben. Darin liegt eine ihrer besonderen Stärken: Sie schaffen etwas aus sich heraus, das, kaum veröffentlicht, auf sehr authentische Weise zu etwas Allgemeingültigem wird, zu dem jeder einen Bezug aufbauen kann. Dazu muss man sich nur die nackten Tatsachen anschauen, bestehend aus Goldenen und Platin-Schallplatten (zuletzt wieder 2010 für das dritte Album „In Farbe“ und die Single-Auskopplung „Halt dich an mir fest“), aus Top Ten-Platzierungen für alle drei bisherigen Longplayer, aus sagenhaften sieben Top-30-Singles – darunter mit „Helden 2008“ auch die offizielle Hymne zur Fußball-EM 2008 – und unzähligen ausverkauften Liveshows in der gesamten Republik.
Und doch gab es vor Beginn der Arbeit am neuen Album erstmals eine Zäsur. Frontmann Johannes Strate nahm mit „Die Zeichen stehen auf Sturm“ Ende 2011 ein sehr persönliches, nachdenklichgetragenes und von der Kritik gefeiertes Singer-/Songwriter-Soloalbum auf, Gitarrist Kristoffer Hünecke lieferte 2012 mit „Diese Tage (feat. Dante Thomas)“ einen der Sommerhits des Jahres ab. „Durch die Solosache habe ich die Erfahrung gemacht, wie es ist, selber den Leadgesang zu übernehmen“, berichtet Kris. „Das hilft auch Revolverheld enorm, weil ich mich jetzt viel besser in Johannes hineinversetzen kann. Außerdem war die Erfahrung wichtig, einmal etwas ganz allein zu machen, was einen persönlich begeistert, und zu schauen, wie weit man damit kommt. Und weiß es hinterher wieder umso mehr zu schätzen, was Revolverheld für uns alle bedeutet und was wir da geschaffen haben: diese besondere Energie, die entsteht, wenn wir gemeinsam im Proberaum sind.“ Und Johannes ergänzt: „Mich hat die Soloplatte viel gelassener gemacht, weil danach der Druck nicht mehr so groß war. Ich konnte mich einiger Ideen entledigen und mich danach wieder voll und ganz auf Revolverheld konzentrieren, nachdem ich inhaltlich etwas ganz anderes gemacht habe.“
So kamen sie im letzten Jahr wieder zusammen – erfrischt, bereit und bis zum Anschlag aufgeladen mit dieser außergewöhnlichen Begeisterung für die Sache, die auch ihre Fans so sehr an ihnen schätzen: aufrichtige Musik und kraftvolle Texte; Songs, die sofort unter die Haut gehen und sich dort festsetzen. „Wir haben uns vor diesem Album zusammengesetzt und den Charakter von Revolverheld definiert“, so Drummer Jakob Sinn. „Was wollen wir eigentlich? Wir wollen Musik machen, die höchst authentisch ist. Für dieses Album wollten wir nur Dinge zulassen, hinter denen jeder uneingeschränkt stehen kann. Wenn es irgendwo Zweifel gab, aus welchen Gründen auch immer, dann wurde ein Song, selbst wenn er richtig gut war, unmittelbar aussortiert. Da waren wir echt eisenhart.“
Hört man sich nun ihre vier Alben – „Revolverheld“ (2005), „Chaostheorie“ (2007), „In Farbe“ (2010) sowie das neue Werk – chronologisch an, wird einem bewusst, wie sehr die vier gemeinsam zu Männern gewordenen Jungs stets in Bewegung waren. Sicher: Es gibt einen klar umrissenen Kern ihres Tuns, und doch finden sie immer neue Nuancen, klangliche Texturen und inhaltliche Ansätze. Es geht weiter, nach vorne: in die Leichtigkeit, dies aber mit jederzeit spürbarem Hunger auf den nächsten großartigen Song. Und hinein in das Selbstverständnis zu wissen, was man kann. „Du machst erst dann authentische Musik, wenn du Songs hast, mit denen du gern auf die Bühne gehst, sie spielst und im selben Moment absolut spürst. Und wenn du dann noch vom Publikum das zurück bekommst, was du dir mit dem Song wünschst“, weiß Kris. „Mit dieser Prämisse sind wir auch durchaus kritisch umgegangen und haben uns gefragt, wo wir in der Vergangenheit vielleicht mal falsch lagen oder zu sehr um die Ecke gedacht haben. So kamen wir auf die Essenz dessen, was diese Band für uns ausmacht, und haben diese dann umgesetzt.“ Johannes ergänzt: „Das ist das Schöne: Nach drei Alben kehrt eine gewisse Gelassenheit ein, dass man sich nichts mehr zu beweisen hat. Wir haben jetzt drei Mal den Kopf durch die Wand gesteckt; dieses Mal wollten wir vielmehr schauen, was von den Wänden zurückprallt, wenn man Dinge einfach mal passieren lässt.“ - „Wir wollten einen Schritt machen, uns weiter entwickeln und einmal ganz neue Wege zu guten Songs gehen“, sagt wieder Kris. So, wie sie sich auch im Gespräch gegenseitig die Bälle zuspielen, miteinander in einen Dialog treten und Gedanken entwickeln: So stellt man sich auch ihre Arbeit im Studio vor.
Für die Aufnahmen zogen Revolverheld dieses Mal Philipp Steinke (Bosse, Boy) als Produzent heran. Johannes Strate hatte mit ihm bereits sein Soloalbum aufgenommen, er kennt die Band schon seit langem. In ihm fand das Quartett einen Vertrauten, dem es gelang, Revolverheld behutsam in neue Richtungen zu lenken, an Grenzen zu bringen und sie in dem Mut zu unterstützen, Dinge frisch und anders anzudenken. Johannes: „Wir haben uns mit Philipp diesmal bewusst für einen eingreifenden Produzenten entschieden, der an Punkten, wo er Verbesserungsvorschläge hat, auch mal klare Ansagen macht. Philipp ist der Band schon lange als Freund verbunden, war mit uns auf Tour und kennt unsere Historie. Also haben wir ihn schon früh ins Boot geholt und mit ihm Arrangements entworfen. Da waren wir als Band auch sehr uneitel und haben überhaupt keine Berührungsängste gezeigt, selbst wenn er mal einen Song komplett auf links gedreht hat.“
Das Ergebnis gibt ihnen Recht: „Immer in Bewegung“ ist ein wunderbar vielseitiges Album geworden. Die Atmosphäre des Albums reicht von zarten, gefühlvollen Momenten mit simplen, aber kräftigen Zeilen („Worte die bleiben“) über große Melancholie in vielschichtiger Instrumentierung („Lass uns gehen“) bis zu peitschenden, mit stimmungsvollen Effekten aufgeladenen Nach-vorne-Rockern („Wir schmeißen unsere Herzen ins Feuer“). Und immer wieder: Diese klaren, starken Sätze, zu denen jeder sofort eine Verbindung aufbauen kann – wie in der ersten Single „Das kann uns keiner nehmen“: „Die einen sind geblieben und jeden Abend hier / Meine erste Liebe ist viel zu fein dafür / Wir sind wirklich so verschieden, und kommen heut von weit her / Doch unsere Freundschaft ist geblieben, denn uns verbindet mehr“. Lässt sich der Wert einer Freundschaft, dieses besonderen Guts, das auch diese vier ambitionierten Menschen zu einer außergewöhnlchen Einheit geformt hat, gefühlvoller in Worte kleiden? Wohl kaum – und so verhält es sich auch mit allen anderen Themen des Albums: Sie sind unheimlich nah am Hörer, seinen Lebensrealitäten, Bedürfnissen und Wünschen – und damit der perfekte Soundtrack für alles zwischen Alltag, Freizeit und der puren Lust auf Leben. Wie heißt es im Titelsong des Albums so treffend? „Wir sind die Masse, Liebe, Freude / und ich lasse meine Angst mich nicht besitzen / sondern laufe zu den Blitzen.“
Ja, Revolverheld sind und bleiben in Bewegung – und treffen damit den Nerv bald jedes Menschen, der über seine Existenz nachdenkt, sich reflektiert und daraus seine hoffentlich lebensbejahenden Schlüsse zieht. Exakt das haben Revolverheld über das vergangene Jahr getan und ihre Gedanken und Ideen zu zwölf Songs gebündelt, die in ihrer Dringlichkeit und Kraft ein neues Kapitel für sie bedeuten. Die Weichen für das zweite Jahrzehnt Revolverheld sind gestellt, der Zug nimmt Fahrt auf, nachdem sie für eine Weile innegehalten und sich hinterfragt haben. „Es ist doch etwas unheimlich Positives, nicht in den alten Mustern und Strukturen festzuhängen“, sagt Johannes. „Wie schön ist es, mit seinem eigenen Leben aktiv umzugehen, sich Neues anzuschauen. Genau das ist mit uns passiert: Wir waren ständig unterwegs, es hat sich wahnsinnig viel verändert in den zehn Jahren. Was andererseits ja auch wieder das Problem meiner Generation der Mitt-Dreißiger ist: Man muss sich ständig bewegen, wenn man den Anschluss nicht verpassen möchte. Beruflich, privat, in Beziehungen zu anderen Menschen: Immer muss der Kopf wach sein, alles ist hektisch und verändert sich, man findet kaum noch Ruhe. Diese zwei Seiten der Bewegung aufzudröseln, sie zu hinterfragen und für sich selber gute Erkenntnisse raus zu ziehen: Das ist die Bestimmung und das Ziel dieser Platte.“ Eine Platte, die uns bewegen wird. Und zu einem Begleiter für all die Momente, in denen man droht, sich wieder einmal im Wust der täglichen Mails und Textnachrichten, Optionen und Erlebnisdringlichkeiten zu verlieren. Wenn es so kommt: Einfach mal hinsetzen und „Immer in Bewegung“ hören. Danach fühlt man sich besser – und vor allem nicht mehr so allein mit seinem Druck.
Tickets gibt's auf www.oeticket.com
Weitere Infos auf http://www.skalarmusic.at/
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